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Candidate Experience und Reverse Recruiting

Offene Stellen bleiben mittlerweile durchschnittlich mehr als fünf Monate unbesetzt. Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt und es ist schon lange nicht mehr so, dass eine Vielzahl an Bewerbenden auf einige wenige Unternehmen trifft. In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel und damit zu wenige verfügbare Bewerbende. Um diesem Problem entgegenzutreten, müssen Unternehmen oft den gesamten Bewerbungsprozess unter die Lupe nehmen und neu denken. Hier kommt die Candidate Experience ins Spiel.

Das Recruiting hat sich seit den späten 90er Jahren immer wieder weiterentwickelt und ist aktuell im Recruiting 4.0 angekommen. Von ersten online ausgeschriebenen Stellen und postalischen Bewerbungen darauf (Recruiting 1.0) über erste Versuche des Talent Relationship Management im Recruiting 2.0 Anfang der 2000er Jahre bis ab etwa 2010, als das Recruiting 3.0 durch die Auswirkungen des Web 2.0 Form annahm. Die digitalen Möglichkeiten und Plattformen waren auf einmal vielfältiger denn je und in Blogs, Wikis oder Podcasts können sich Bewerbende informieren, auf Facebook, Twitter, XING oder LinkedIn austauschen. Auch das Thema Mobile wird unverzichtbar. Mobil ansprechend dargestellte Karriere-Websites und Stellenanzeigen sind mittlerweile ein Muss. Mit der Weiterentwicklung aller Technologien und neuen Trends wie New Work befindet sich das Recruiting 4.0 nun im Jetzt.

Candidate Experience bedeutet heute auch Image- & Recruiting Videos, Social Recruiting, die Optimierung der Candidate Journey und Multi-Channel-Strategien. Im Data Driven Recruiting arbeitet auch HR mit Performance Marketing, künstlicher Intelligenz, ausgeklügelten Algorithmen und Reverse Recruiting.

Was ist die Candidate Experience und warum ist sie so wichtig?

Das Konzept der Candidate Experience umfasst die Gesamtheit aller Eindrücke und Erfahrungen, die eine Person im Laufe des Rekrutierungsprozesses mit einem Unternehmen macht. Die Candidate Experience lässt sich dabei in vier Phasen einteilen:

  • Während der Stellensuche
  • Während der Bewerbung
  • Beim Durchlaufen von Interviews
  • Nach Ende des Recruiting-Prozesses bzw. während der anschließenden Einarbeitung

Es gibt mehrere Gründe, warum eine positive Candidate Experience mittlerweile unverzichtbar ist. Ein wichtiger Aspekt ist das Einflusspotenzial der Erfahrungen der Bewerbenden auf die Arbeitgebermarke, das positiv oder negativ sein kann. In der aktuellen digitalen Ära besteht für Bewerbende leicht die Möglichkeit, ihre Eindrücke über ein Unternehmen auf Social-Media-Plattformen oder Arbeitgeberbewertungsseiten wie Kununu zu teilen. Oft sind diese Bewertungen der erste Kontaktpunkt für potenzielle Bewerbende vor dem Ausfüllen eines Bewerbungsformulars. Wenn sie auf überwiegend negative Bewertungen stoßen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich für eine Stelle bewerben oder ein Angebot annehmen.

In den meisten Fällen ist die Candidate Experience zudem sehr eng mit der Zufriedenheit der Mitarbeitenden verknüpft. Jeder neue Mitarbeitende startet nach einer positiv empfundenen Candidate Experience motivierter und zufriedener und gibt dies auch an die übrigen Mitarbeitenden oder im Bekanntenkreis weiter.

Phase 1: Während der Jobsuche

Die Candidate Experience setzt schon ein, bevor Bewerbende Ihre Webseite aufrufen. Schon während der Jobsuche besuchen potenzielle Kandidat:innen zahlreiche Karriereseiten, daher ist es essenziell, hier einen Schritt voraus zu sein und sich von der Masse abzuheben. Es geht darum, nicht nur das Gleiche wie alle anderen zu tun, sondern es besser zu machen. Eine ansprechende, auffällige und nutzerfreundliche Gestaltung Ihrer Website zum Beispiel kann Kandidat:innen sofort begeistern.

Um dies zu erreichen, müssen Sie die Kandidat:innen Ihrer Zielgruppe und deren Bedürfnisse kennen und verstehen. Wenn Sie diesen Aspekt übersehen, riskieren Sie, Bewerbende zu verlieren, noch bevor sie die Chance hatten, Ihre Jobangebote zu sichten oder eine Bewerbung in Betracht zu ziehen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Candidate Experience sind Ihre Stellenausschreibungen. Bewerbende suchen gezielt nach bestimmten Jobtiteln und Beschreibungen. Daher ist es wichtig, zu verstehen, wonach sie suchen und wie sie dies repräsentiert sehen möchten. Jede einzelne Position sollte ihre Vorteile herausstellen und an die Zielgruppe angepasst werden. Außerdem ist es wichtig,  das Unternehmen, die Kultur sowie die Benefits positiv hervorheben. Hier können wir Sie beispielsweise mit einer ausgereiften Karriereseite unterstützen.

Phase 2: Die Candidate Experience den Bewerbungsprozess entlang

Während des Bewerbungsverfahrens ist es von entscheidender Bedeutung, Bewerbende davon zu überzeugen, dass die investierte Zeit gerechtfertigt ist. Wenn das Bewerbungsformular zu umfangreich ist oder persönlichkeitsverletzende Fragen enthält, werden die Kandidat:innen wahrscheinlich abgeschreckt und brechen den Vorgang ab. Der gesamte Prozess sollte mit der Zielgruppe der gewünschten Fachkräfte im Fokus entwickelt werden, unter Berücksichtigung der angemessenen Dauer und der Notwendigkeit aller geforderten Informationen.

Verlieren Sie keine Zeit! Nachdem die Bewerbung abgeschickt wurde, sollten Sie bedenken, wie die Kandidat:innen sich fühlen, wenn sie tagelang keine Rückmeldung erhalten. Eine kleine Maßnahme wie das Einrichten einer automatischen, individualisierten Bestätigungsnachricht macht einen erheblichen Unterschied aus und hinterlässt ein positives Gefühl bei den Bewerbenden. Machen Sie zeitnah Interviewtermine aus und versuchen Sie eine transparente Kommunikation aufzubauen. Mit einem HR-Tool für Recruiting und Talentmanagement lassen sich viele dieser Aufgaben automatisiert erledigen.


Phase 3: Während des Vorstellungsgesprächs

Es ist wahrscheinlich, dass Ihre idealen Bewerbenden Interviews bei mehreren Unternehmen führen, daher ist es wesentlich, dass Sie sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Durch regelmäßige Kommunikation und Aufklärung über den Fortschritt des Prozesses signalisieren Sie den Bewerbenden, dass sie von Bedeutung sind. Das Vorstellungsgespräch selbst hat ebenfalls einen direkten Einfluss auf Ihr Image als Arbeitgeber, daher ist es wichtig, sorgfältig zu überlegen, welche Fragen Sie stellen und welchen Ton Sie anstreben. Auch hier können einfache Maßnahmen eine bedeutende Wirkung haben. Ein Rundgang durch das Büro oder die Vorstellung von potenziellen Teamkolleg:innen kann den Bewerbenden einen Eindruck davon vermitteln, wie die Arbeit in Ihrem Unternehmen aussieht.

Oft sind Vorstellungsgespräche, die einen schlechten Eindruck vermittelt haben, ein Hauptgrund für eine Absage. Die Zeiten sind vorbei, in dem Interviews „Einbahnstraßen“ sind und Kandidat:innen nur Fragen beantworten müssen. Setzen Sie auf einen partnerschaftlichen Dialog: nicht nur Sie wollen wissen, was den Bewerbenden motiviert, sondern der Bewerbende möchte von Ihnen auch wissen, warum er ins Team passt. Die typische Frage „Warum bewerben Sie sich bei uns?“ hinterlässt keinen positiven Eindruck und kann zu einer negativen Candidate Experience beitragen. Neben den Anforderungen und Erwartungen sind persönliche Aspekte bedeutsam. Beziehen Sie sich auf die Individualität der Bewerbenden. Erläutern Sie die Unternehmenskultur und Mission. Schaffen Sie eine offene Umgebung, in der Bewerbende frei ihre Meinungen äußern können. Dies ist für beide Seiten vorteilhaft: Sie erhalten einen authentischen Einblick und die Bewerbenden fühlen sich als Individuum und Persönlichkeit wertgeschätzt.

Daher sollten Personaler darauf hinarbeiten, Führungspersonen in der Durchführung von Vorstellungsgesprächen zu schulen. Viele Leitende sind dafür dankbar, da solche Gespräche für sie ebenfalls eine außergewöhnliche Situation darstellen. Es steht viel auf dem Spiel, denn Sie als HR-Profi hat es viel Anstrengung gekostet, den Bewerbenden überhaupt aufzuspüren.

Phase 4 der Candidate Experience: Nach dem Recruiting-Prozess

Auch nach Abschluss des Rekrutierungsprozesses bleibt die Candidate Experience bedeutend. Jede Person, die Ihre Website besucht, sich bewirbt, ein Interview führt oder das Stellenangebot annimmt, stellt einen potenziellen Botschafter Ihrer Marke dar.

Es wäre ein erheblicher Fehltritt, diejenigen Bewerbenden zu vernachlässigen, die nicht für eine Position ausgewählt wurden. Schon eine einfache Danksagung für die investierte Zeit und die Möglichkeit, Feedback zu ihrer Erfahrung abzugeben, stellt mehr Engagement dar, als viele andere Unternehmen zeigen. Niemand wird gern übersehen, das gilt auch für Bewerbende, also bieten Sie ihnen die Möglichkeit, durch ein Talent-Netzwerk mit Ihnen verbunden zu bleiben. Über kreierten Content, Unternehmens- und Jobnews sowie Geburtstagswünsche können Sie eine Beziehung aufbauen und ihr positives Arbeitgeberimage vergrößern. So können Sie zu einem späteren Zeitpunkt für eine andere Stelle schneller Kontakt herstellen.

Das Onboarding als Grundlage für die Zusammenarbeit

Außerdem geht die Candidate Experience nun nahtlos in die Employee Experience über und aus Bewerbenden werden Mitarbeitende. Mit einer problemlosen und effektiven Einarbeitung legen Sie den Grundstein für zufriedenes Personal. Das Onboarding und die ersten Tage und Wochen entscheiden nun, ob es zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit kommt oder ob ein Talent im schlimmsten Fall noch während der Probezeit wieder abspringt.

Optimieren Sie die Integration der neuen Mitarbeitenden. Ausrüstung und Computer, einschließlich Passwort und Zugriffsrechte, sollten am ersten Arbeitstag vorbereitet sein. Erfahrene Mitarbeitende sollten die Rolle von Mentor:innen für das neue Teammitglied übernehmen. Hilfsmittel wie eine Onboarding-Broschüre oder ein internes Wiki können den Übergang erheblich erleichtern. Begrüßen Sie neue Mitarbeitende, führen Sie sie durch die Räumlichkeiten und präsentieren Sie ihnen das Unternehmen, das Team und die Einrichtungen. Die gleichen Spielregeln gelten auch bei remote ausgeführten Jobs. Organisieren Sie die Meetings digital.

Wichtige Informationen beinhalten zum Beispiel:

  • ein Organigramm
  • Einführungen in Software
  • Arbeitsprozesse und Kommunikation
  • wichtige Anlaufstellen (insbesondere die Personalabteilung)
  • Arbeitsorganisation
  • interne Vorschriften
  • Sicherheit
  • Datenschutz
  • Schulungen in den erforderlichen Fertigkeiten

Lassen Sie dem neuen Mitarbeitenden Raum, um Erfahrungen zu sammeln. Unterstützen Sie sie dabei, sich in den betrieblichen Strukturen zurechtzufinden.

Der nächste Schritt der Candidate Experience: Reverse Recruiting

In vielen Branchen geht der Personalmangel so weit, dass Sie den gesamten Prozess überdenken und umkehren müssen und sich sozusagen bei potenziellen Kandidat:innen selbst bewerben müssen. Da liegt auch der Unterschied zum Active Sourcing: beim Active Sourcing und der proaktiven Ansprache würde der „normale“ Bewerbungsprozess ansetzen. Beim Reverse Recruiting legt aber das Unternehmen und somit potentielle Arbeitgeber die „Bewerbungsmappe“ vor.

Für dieses Reverse Recruiting gibt es schon jetzt verschiedene Plattformen, auf denen Sie nach geeigneten Talenten suchen und sich bei diesen vorstellen können. Oft sind diese nach Branchen sortiert und auf der für Sie passenden Plattform können Sie gezielt nach einzelnen Fähigkeiten filtern. Sobald Sie geeignet erscheinende Kandidat:innen angeschrieben haben, werden diese sich natürlich über Sie informieren. Hier kommt wieder die Candidate Experience zum Tragen, denn die ersten Kontaktpunkte wie Ihre Website bzw. Karriereseite und Ihr Auftritt in den sozialen Medien und auf Bewertungsplattformen sind auch hier sehr wichtig.

Wichtig ist, dass Sie genau definieren, was Sie von zukünftigen Mitarbeitenden erwarten. Nur wenn Sie Ihre Anforderungen genau auf den Punkt bringen, kann sich ein in Frage kommendes Talent ein Bild machen, ob die Stelle wirklich passt. Dieses Verhältnis ist gleich, auch wenn Sie sich beim Reverse Recruiting in der Position des Bewerbenden befinden.

Bilder: getty images

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